The Return of the Stechuhr: Das bedeutet die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung für Agenturen

Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofes hat auch das Bundesarbeitsgericht ein Machtwort gesprochen: Deutsche Unternehmen sind dazu verpflichtet, eine verlässliche, elektronische Arbeitszeiterfassung einzuführen. Damit kehrt ein Relikt zurück, das in modernen Unternehmen schon längst nicht mehr an der Tagesordnung war. Wir werfen einen Blick auf Meinungen, Maßnahmen und Methoden und gehen für euch auf die Auswirkungen für Agenturen ein.

Als der Europäische Gerichtshof (EuGH) 2019 die Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung verkündete, hagelte es zunächst Kritik. Das „Stechuhr-Urteil“ sei eine Zeitreise in die Vergangenheit, Arbeitszeiterfassung passe nicht in unsere moderne Arbeitswelt, hieß es; außerdem seien flexible Arbeitszeitmodelle wie Vertrauensarbeitszeit damit praktisch nicht mehr umsetzbar. 

Die Unkenrufe halfen nicht, stattdessen gilt bereits seit September 2022: Deutsche Unternehmen sind dazu verpflichtet, die gesamte Arbeitszeit aller Beschäftigten zu dokumentieren. Bislang galt das nur für Überstunden und Sonntagsarbeit. Sprich: Arbeitsbeginn und -ende sowie die Dauer der Arbeitszeit müssen erfasst werden. Neu dabei ist auch, dass die Dokumentation elektronisch erfolgen muss.  

Welche genauen Regeln dafür gelten, ist jedoch bis heute nicht geklärt. Im April legte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil einen Referentenentwurf vor, wie das Arbeitszeitgesetz entsprechend geändert werden soll. Übrigens unter voller Berücksichtigung der Tatsache, dass die Gestaltung unserer Arbeitszeit sich geändert hat:

 „Gerade in einer flexiblen Arbeitswelt kommt der Erfassung der geleisteten Arbeitszeiten eine besondere Bedeutung zu.“

Hubertus Heil, Bundesarbeitsminister

In der Annahme, dass dieser Entwurf so durch geht, fassen wir für euch die wichtigsten Eckdaten zusammen.

Für wen gilt die Pflicht zur Arbeitszeiterfassung?

Das ist schnell beantwortet: Für alle Unternehmen. Sie dürfen die Erfassung allerdings an ihre Beschäftigten „delegieren“. Sprich: Die Mitarbeitenden dokumentieren ihre Zeiten selbst.

Welche Ausnahmen gibt es bei der Zeiterfassung?

  • Unternehmen mit höchstens zehn Mitarbeitenden können ihrer Verpflichtung auch in Papierform nachkommen, also auf Stundenzetteln
  • Gleiches gilt für ausländische Arbeitgeber:innen, die keine Betriebsstätte in Deutschland haben, sondern lediglich bis zu zehn Mitarbeitende hier her entsenden, sowie für  Privathaushalte und deren Angestellte.
  • Unternehmen mit einem Tarifvertrag können über ihre Gewerkschaft eine Regelung anstreben, dass die Arbeitszeiten mit einer Verzögerung von bis zu sieben Tagen und/oder auf Stundenzetteln statt digital erfasst werden. 
  • Auch für bestimmte Arbeitnehmende, beispielsweise Führungskräfte und leitende Angestellte, die weisungsfrei beschäftigt sind, können Ausnahmeregelungen mit dem Tarifpartner getroffen werden. 

Welche Übergangsfristen gibt es?

  • für Unternehmen ab 250 Mitarbeitenden: ein Jahr
  • für Unternehmen mit 51 bis 249 Mitarbeitenden: zwei Jahre
  • für Unternehmen mit 11 bis 50 Mitarbeitenden: fünf Jahre

Smartphone statt Stechuhr: Möglichkeiten zur Arbeitszeiterfassung 

Für die Form gibt es keine Vorgaben. Doch was bietet sich dafür eigentlich an? Die gute alte Stechuhr, in der man morgens ein- und abends ausstempelte, hat schon längst Konkurrenz erhalten. Auch die manuelle Methode, bei der Stundenzettel per Hand geschrieben werden, wird vielfach durch Excel-Tabellen ersetzt. Ersterer wäre bei der neuen Forderung, dass die Arbeitszeiterfassung elektronisch zu erfolgen hat, eh nicht mehr im Rennen. 

Deutlich einfacher jedoch sind moderne Softwarelösungen, die am Computer oder auf dem Smartphone bedient werden. Mit einem Klick ist alles drin, und die lästige Auswertung liefert das Programm gleich mit. Es verwundert also nicht, dass digitale Lösungen am häufigsten verwendet werden, wenngleich auch nur mit einem kleinen Vorsprung:

Eine Umfrage des Digitalverbandes Bitkom hat herausgefunden, dass 28 Prozent der Unternehmen ein digitales System am Computer und 22 Prozent ein stationäres Zeiterfassungssystem, das mittels Karte, Chip oder Transponder bedient wird, nutzen. In einem Viertel der Unternehmen kommt noch die traditionelle Stempel- oder Stechuhr zum Einsatz. 20 % der befragten Unternehmen lassen ihre Teams Excel-Tabellen ausfüllen. Eine Smartphone-App benutzen nur 17 Prozent – und das ist nur ein Prozent mehr als der gute alte Stundenzettel auf Papier. 

Arbeitszeiterfassung: So wird sie in deutschen Unternehmen gehandhabt

Übrigens: Finger weg von Lösungen, die das Ein- und Auschecken per Fingerabdruck, Gesichtserkennung oder Iris-Scan vorschreiben. Beides gehört zu den biometrischen Daten, die nur zum Zweck einer eindeutigen Identifizierung erlaubt sind, so die Vorgaben der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Dazu gehört die Arbeitszeiterfassung nicht, wie sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg urteilen.

Was bedeutet die Einführung der Arbeitszeiterfassung für Agenturen?

Auch hier könnten wir wieder ganz kurz antworten und sagen: 

Nichts. 

Naja, fast nichts. 

In den meisten Agenturen gehört die Erfassung ihrer Arbeitszeit zum Alltag. Denn egal, ob Projekt oder Retainer: Die Kalkulation basiert in der Regel auf einer Schätzung des Zeitaufwandes, der dann mit den entsprechenden Tagessätzen multipliziert wird. Ohne Zeiterfassung lässt sich eine aufwandsgerechte Abrechnung nicht erbringen – bzw. die Profitabilität der zahlreichen einzelnen Jobs kaum überprüfen.

Eine Agentursoftware beinhaltet daher in der Regel bereits ein Zeiterfassungsmodul, das die Dokumentation und Auswertung zuverlässig ermöglicht. Auch die Zeiten von Freelancern lassen sich hier integrieren. Ihr habt keine Agentursoftware? Das ist keine Ausrede – es gibt mittlerweile unzählige digitale Tools zur Zeiterfassung; einige davon sind sogar kostenlos. 

Was sich aber durchaus ändert, ist der Umfang der Zeiterfassung. Gemäß der neuen Regelung geht es nicht darum, die reine Projektzeit zu dokumentieren, sondern den gesamten Arbeitstag – wann er beginnt, wann er endet und wann Pausen gemacht wurden.  Überstunden oder Wochenendarbeit werden so automatisch mit erfasst.

Wenn euch die Einführung einer digitalen Arbeitszeiterfassung dazu motiviert, doch auch über eine (neue) Agentursoftware nachzudenken: Hier kommen einige Tipps, worauf ihr achten solltet.

Schwachpunkt beim Einhalten einer zuverlässigen Stundenerfassung ist hier eher – wie so oft – der Faktor Mensch. Wer seine Zeiten nicht eingibt, taucht halt in der Auswertung nicht auf. Das war schon vor der Verpflichtung zur Arbeitszeiterfassung doof. 

Wie kannst du dein Team dazu motivieren, die Zeiterfassung durchzuziehen? Das erfährst du in diesem Blogbeitrag!

 

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