Es gibt Gespräche, die locker von der Hand gehen – und solche, die uns uns bevorstehen und ins Schwitzen bringen. Weil es uns unangenehm ist, etwas anzusprechen, oder wir die Reaktion unseres Gegenübers nicht einschätzen können. Die gute Nachricht: Diese Herausforderung lässt sich lösen. Der Schlüssel dazu lautet ganz simpel vertrauensvoll zu Führen. In einem Miteinander, in dem alle ihre Gefühle und Erwartungen ehrlich äußern können, verlieren selbst Gespräche über sensible Themen viel von ihrer Brisanz. Warum Vertrauensaufbau eine der wichtigsten Fähigkeiten für Führungskräfte ist und wie du ihn ganz konkret förderst, erfährst du hier. Wir möchten dir Mut für eine offene Gesprächskultur machen – denn unausgesprochene Themen schaffen oft mehr Unbehagen als eine ehrliche Aussprache.
Welche Gespräche fallen uns tendenziell schwer?
Im Arbeitskontext meinen wir damit Gespräche, bei denen es um sensible Themen geht und bei denen potenziell starke emotionale Reaktionen oder Konflikte aufkommen können. Die Themen haben mit dem reinen daily business nicht immer zu tun, wirken sich aber darauf aus. Viele dieser Gespräche haben Anlässe wie diese:
Leistungsgespräche und Kritik
Wenn die Leistung über einen längeren Zeitraum hinweg abfällt, also mehr ist nur ein kurzes Formtief, müsst ihr darüber sprechen. Gleiches gilt bei negativem Feedback zu einem konkreten Fall, vielleicht auch, weil von außen, sprich von Kund:innen, eine Beschwerde kam.
Konflikte im Team
Keine Seltenheit: Spannungen oder Konflikte zwischen Teammitgliedern brauchen Klärung. Hier ist oft Moderation angesagt, denn bei solchen Gesprächen treffen persönliche Befindlichkeiten und unterschiedliche Sichtweisen aufeinander.
Veränderungen
Kündigungen, Umstrukturierungen oder Teamwechsel sind besonders sensible Themen, weil sie mit Ängsten und Unsicherheiten verbunden sind. Auch Gespräche über potenzielle Gehaltsanpassungen oder Standortwechsel können in diese Kategorie fallen, da sie direkt in das Arbeitsleben und die Zukunftsplanung der Mitarbeitenden eingreifen.
Veränderungen im Verhalten
Wenn Mitarbeitende durch ein zum Negativen verändertes Verhalten auffallen – sei es durch ungewohnt hohe Fehlzeiten, einen unangemessenen Umgang mit Kolleg:innen oder einen problematischen Konsum von Alkohol – wird ein Gespräch unausweichlich sein. Nicht um zu rügen oder zu verurteilen, sondern um erst einmal herauszufinden, woran es liegt. Oft sind es private Probleme, wie familiäre Belastungen oder gesundheitliche Sorgen, die sich enorm auf die Arbeitsleistung auswirken.
Solche Gespräche erfordern Fingerspitzengefühl. Schließlich geht es oft um sensible Punkte, die schmerzhaft sind und deren Ansprache schnell als Angriff empfunden werden könnten – und das Letzte, was du willst, ist, das Vertrauen zu gefährden. Aber ist es besser zu schweigen? Nein!
Privatsphäre verletzen? Nein: Privatsphäre aufbauen!
Was sensible Gespräche für viele schwierig macht, ist, dass man ein Stück weit in die Privatsphäre des anderen eindringt und diese damit verletzen könnte. Genau da fahren wir allerdings einen anderen Ansatz. Wir unterscheiden – und das empfehlen wir auch den Agenturen, die wir beraten – gar nicht so sehr zwischen „privat“ und „beruflich“.
Bei uns geht es immer um den Menschen. Und das ist der gleiche, egal ob er in der Freizeit mit seinem Freundeskreis zusammen ist oder in der Agentur im Meeting mit Kolleg:innen und Kund:innen sitzt.
Warum also sollte jemand anders ticken oder sich verstellen müssen, sobald er oder sie die Agentur betreten hat? Warum sollten die Bedürfnisse und der Anspruch an den Umgang mit der eigenen Person im Arbeitsalltag anders sein als im Privaten?
Um unseren Ansatz zu verstehen, lohnt es sich, den Begriff der Privatsphäre zu definieren. Wir greifen zur juristischen Definition:
Als „Privatsphäre“ wird der familiär-häusliche Bereich einer Person bezeichnet, der ohne dessen Einwilligung nicht zugänglich ist und in dem die betreffende Person ihr Recht auf freie Entfaltung seiner Persönlichkeit wahrnimmt, ohne dass sie dabei von äußeren Einflüssen behelligt wird. Dabei ist zu beachten, dass sich die Privatsphäre nicht ausschließlich auf den häuslichen Bereich bezieht, sondern auch in der Öffentlichkeit bestehen kann.
Es fällt uns tatsächlich nur ein Grund ein, warum sich eine Person bei der Arbeit nicht so geben kann oder mag, wie sie ist. Und das ist der Mangel an Vertrauen. Mit all seinen Konsequenzen wie Angst, Unsicherheit, Unwohlsein sowie Mangel an Freude und Einsatz. Gerade in kreativen Branchen kann das geradezu lähmend wirken! Also:
Baue Vertrauen auf und gib deinen Mitarbeitenden Raum, ihre Persönlichkeit frei zu entfalten. In einem Umfeld, in dem wir authentisch sein können, mit all unseren Stärken und Schwächen, schaffen wir die Grundlage für gelebte Privatsphäre auch im beruflichen Kontext.
So baust du Vertrauen auf: Vom Kennenlernen zum Verstehen
Du wirst in der Definition sicher bemerkt haben, dass der Zugang zur Privatsphäre einer Einwilligung bedarf. Und tatsächlich: Ein starkes Vertrauensverhältnis entsteht nicht über Nacht. Es muss behutsam aufgebaut werden. Wir versprechen dir: Es lohnt sich, in den Aufbau zu investieren, und zwar von Anfang an. Denn:
Jede:r neue Mitarbeitende kommt sowohl mit Erwartungen als auch mit Erfahrungen. Aus letzteren resultieren viele Verhaltensweisen, insbesondere wenn es schwierige Erfahrungen in der alten Agentur waren. Da kommen sie schon mal mit einem ganzen Rucksack an Steinen an. Wenn du die Erfahrungen kennst, kannst du sie aktiv dabei unterstützen, Muster zu überwinden.
Ein Tool, das dir dabei helfen kann, ist das „Manual of Me“, eine Art kleine „Bedienungsanleitung“ für jede Person. Hier können Mitarbeitende festhalten, was sie brauchen, um sich wohlzufühlen – eine Möglichkeit, einander besser kennenzulernen und offener zu werden. Eine Vorlage gibt es beispielsweise kostenlos bei Miro.
Mit einer solchen Grundlage wird es dir leichter fallen, so zu kommunizieren, wie es zwischen deinem Gegenüber und dir zu einem Austausch auf Augenhöhe kommt. Dazu gehört es auch, die Menschen anzunehmen und ihnen zuzuhören. Wenn du weißt, dass Petra sich um ihre pflegebedürftigen Eltern kümmert oder Nils frisch getrennt ist, wirst du ein Gespräch über Leistungsabfall ganz anders führen. Nämlich mit Unterstützung statt mit Kritik.
Vertrauensvoll führen: Gehe mit gutem Beispiel voran
Eine so offene Kommunikation kann nur gelingen, wenn alle ihre Gefühle und Befindlichkeiten formulieren. Ein guter erster Schritt? Selbst Offenheit vorleben.
Das geht ganz einfach mit Aussagen wie „Mir geht es heute nicht gut, bitte nehmt darauf Rücksicht“. Dann wissen die anderen selbst ohne persönliche Begründung Bescheid, müssen nicht rätseln, warum ihr Gegenüber so anders ist und können konkret danach handeln. Nämlich a) die Bitte nach Rücksicht einfach umsetzen und/oder b) anbieten, darüber hinaus für Erleichterung zu sorgen. Zum Beispiel mit Fragen wie „Kann ich dir etwas abnehmen?” „Kann ich etwas für dich verbessern?” oder „Möchtest du dir freinehmen?”. Ohne lästiges Bohren, sondern offen, empathisch und vertrauensvoll.
Die Fähigkeit, Vertrauen aufzubauen und so zu kommunizieren, wird in den kommenden Jahren immer weiter an Bedeutung zunehmen. Wir gehen sogar so weit und sagen: Sie wird ein Essential Skill, wenn nicht sogar das oberste Ziel einer Führungskraft werden.
Generationenwechsel und wachsende Empathie in der Führung
Denn generell hat sich unser Leben, auch und gerade durch die Pandemie, verändert. Die mentale Gesundheit vieler hat gelitten, die Komplexität der Probleme ist größer geworden. Hinzu kommt: Der Generation Z, die zunehmend in die Arbeitswelt eintritt, sind einfühlsame Führung und Offenheit wichtiger als jedes Geld der Welt. Umso wichtiger wird das Fingerspitzengefühl der Führungskraft. Die Zeit der strengen Hierarchien und Machtdistanz? Vorbei.
Sensible Gespräche Schritt für Schritt angehen
Ganz egal, wie weit du mit dem Vertrauensaufbau innerhalb deines Teams bereits bist: Für jedes Gespräch, ob super brisant oder “muss mal sein”, brauchst du eine Struktur. An diesen vier Schritten kannst du dich orientieren:
- Vorbereitung
Was möchtest du mit dem Gespräch erreichen, was sind deine Kernbotschaften? Hast du alle Fakten? Gerüchte sind keine Grundlage für ein ernstes Gespräch – in diesem Fall lieber vorher Klarheit schaffen.
2. Den passenden Rahmen schaffen
Lade zu einem Vier-Augen-Gespräch ein und wähle einen Ort, an dem dein Gegenüber sich sicher fühlt. Diskretion und ein „Safe Space“ sind das A und O, damit das Gespräch ehrlich und offen ablaufen kann.
3. Auf die Gesprächsführung achten
Sei empathisch, höre aktiv zu und drücke dich klar und respektvoll aus. Offene Fragen helfen oft, das Vertrauen und die Perspektive deines Gegenübers zu fördern.
4. Das Gespräch nacharbeiten
Braucht dein Teammitglied vielleicht noch Unterstützung? Ein kurzer Check-in nach ein paar Tagen zeigt, dass dir sein Wohl wirklich am Herzen liegt und lässt das Vertrauen wachsen.
Übung macht Meister und Meisterin
Du bist dennoch unsicher, was die Gesprächsführung angeht? Vor dem Spiegel oder mit einer vertrauten Person kann es leichter fallen, die richtigen Worte zu finden. Wenn du fachlichen Rat bevorzugst, gibt es Coachings, die dabei helfen, solche Situationen vorzubereiten. Und in schwierigen Fällen kann eine Mediation durch eine neutrale Person den Weg ebnen.
In jedem Fall lohnt es sich, in deine Fähigkeiten zu investieren. Denn Führen heißt nun einmal, Vertrauen zu schaffen – mit Geduld, Fingerspitzengefühl und offenen Gesprächen.
Wenn wir also unseren Mitarbeitenden Raum geben, sich authentisch zeigen können, schaffen wir ein Umfeld, in dem es leichter fällt, auch über unangenehme Dinge offen und empathisch sprechen zu können. Schließlich arbeiten wir nicht nur mit Kolleg:innen, sondern in erster Linie mit Menschen.
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