Achtsame Kommunikation: Warum wir manche Redewendungen auf die Goldwaage legen sollten

Wir alle verwenden Sprache jeden Tag, sei es in Gesprächen, beim Storytelling oder bei der Entwicklung von kreativen Kampagnen. Die richtigen Worte können uns bewegen, fesseln und motivieren. Insbesondere Redewendungen und Metaphern sind ein wichtiges Werkzeug, die unserer Kommunikation Farbe und Tiefe verleihen und Emotionen hervorrufen. Und genau deshalb sollten wir sie im Sinne einer achtsamen Kommunikation hinterfragen, denn bisweilen sind diese Emotionen nicht positiv. Warum du die Verwendung von bestimmten Redewendungen überdenken solltest und wie du dich durch den Verzicht darauf sogar noch präziser ausdrücken kannst, erfährst du in diesem Artikel. So viel sei schon einmal verraten: Weniger davon ist manchmal eben mehr.

Carlos kommt gerade zurück in die Agentur und berichtet vom Kick-off seines neuesten Projektes. „Wir hatten eine Bombenstimmung, sage ich euch! Und unsere Präsentation war ein Volltreffer.“ Samira runzelt die Stirn. Obwohl ihre Flucht schon zehn Jahre her ist, spielen sich sofort die dramatischen Szenen des Krieges und die verzweifelte Suche nach ihrem kleinen Bruder in den Trümmern ihres Hauses vor ihrem inneren Auge ab. 

Unbeirrt fährt Carlos fort. „Aber deren Büro ist eine Vollkatastrophe. Das ist so weit ab vom Schuss, da willst du nicht tot überm Zaun hängen. Wenn ich da öfter hinmuss, gebe ich mir die Kugel. Lasst uns die zukünftig zu uns in die Agentur einladen.“ Nun senkt Sara den Kopf. Zu frisch sind die Erinnerungen an ihren besten Freund, der sich im vergangenen Jahr das Leben nahm.

An dieser fiktiven Unterhaltung, die in jeder Agentur und mit jeglichen Namenskombinationen stattgefunden haben könnte, seht ihr schon: Carlos versucht, seinen Schilderungen durch die Verwendung von Redewendungen besondere Kraft zu verleihen. Das gelingt ihm auch. Doch er unterschätzt, welche Wirkung seine Worte bei anderen haben. Durch seine Wortwahl verletzt er die Gefühle anderer und verbindet eine grundsätzlich positive Erzählung mit negativen Begriffen. Von achtsamer Kommunikation ist dies weit entfernt.

Wie Sprache unsere Stimmung beeinflusst

Wörter erzeugen Bilder in unserem Kopf. Gleichzeitig drücken sie unsere inneren Gedanken und Gefühle aus. Beides bewirkt, dass Metaphern, die mit Krieg, Tod oder Krankheit assoziiert sind, bei uns und anderen Stress auslösen. Und zwar umso mehr, je öfter wir damit konfrontiert werden.

Eine Zeit, in der das besonders auffiel, war die Anfangsphase der Pandemie. Während die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel in ihren Ansprachen an Zusammenhalt und Solidarität appellierte und dafür viel Lob erhielt, wählten andere Politiker und die Presse eine deutlich schärfere Sprache. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron rechtfertigte die Ausgangssperren mit „Wir sind im Krieg“ und rief zur „Generalmobilmachung“ auf. Boris Johnson, damals noch Premierminister des Vereinigten Königreichs, bezeichnete das Virus als „Feind“ und die eigene Regierung als „wartime government“. Für den 2020 noch amtierenden US-Präsidenten Donald Trump war die Pandemie der „schlimmste Angriff“, den es je gegeben habe – schlimmer als 9/11. Pflegekräfte kämpften an der „Frontlinie“, der damals amtierende Finanzminister Olaf Scholz zückte die „Bazooka“ in Form von Hilfsmaßnahmen gegen eine drohende Wirtschaftskrise (dass die Panzerfaust sich letzten Endes als Luftgewehr entpuppte, ist eine andere Geschichte).

Die Reihe der Beispiele einer Sprache, die mit Gewalt assoziierte Metaphern verwendet, lässt sich auch mit aktuellen Beispielen problemlos fortsetzen. Ein Blick in die Medien reicht. „Die Abschaffung des Gymnasiums wäre politischer Selbstmord“ schreibt der Spiegel. „Gabor Steingarts Attacke auf den Spiegel: Pioneer-Gründer schaltet in den Angriffsmodus“ heißt es im kress report.

Auch „Kampfansagen“ sind nahezu an der medialen Tagesordnung, ob in der Politik, beim Sport, im Boulevard oder sogar beim geplanten Ausbau der Tesla-Produktion als Kampfansage an die deutsche Automobilwirtschaft.

Achtsame Kommunikation kommt auch im Sport häufig zu kurz, hier werden viele Begriffe aus Krieg und Kampf verwendet

Ja, alles ganz normal. Aber was bewirken solche von Kampf oder Gewalt geprägten Begriffe? Richtig: Sie vermitteln Aggression und Druck. Wenn es uns persönlich betrifft, kommen Verunsicherung und Angst hinzu. Den Effekt haben wir alle an uns festgestellt. Bei traumatisierten Menschen potenziert er sich noch.

Metaphern im Arbeitsalltag: Die (häufig) unbewusste Verwendung von negativ konnotierten Begriffen

Kommen wir zurück auf unseren Mikrokosmos der Agenturwelt. Auch hier finden wir zahlreiche Redewendungen, die mit Krieg, Tod oder Krankheit zu tun haben – wir bemerken es aber kaum noch. Hand aufs Herz: Hast du nicht auch schon mal gemeckert, dass der Schreibtisch von deinem Kollegen wie ein Schlachtfeld aussieht? „Schieß mich tot“ gesagt, wenn dir gerade etwas nicht einfällt oder du eine lange Aufzählung abschließt? Nein? Ok, vermutlich kommen dir dennoch Formulierungen wie diese bekannt vor:

„Wenn uns im Eifer des Gefechts ein Fehler unterläuft, gehen wir lieber aus der Schusslinie, bevor uns jemand den Marsch bläst. Wenn wir unser Pulver verschossen haben, würden wir am liebsten kapitulieren und die Flinte ins Korn werfen. Stattdessen muss unsere starke Truppe schwere Geschütze auffahren, um den Auftrag mit einem neuen Schlachtplan noch zu retten. 

Zum Glück haben wir ja Eva im Team – sie ist eine echte Granate in der Konzeption und hat das bei uns ja auch von der Pike auf gelernt. Sie wird die anderen schon noch aus der Reserve locken, bevor sich die Fronten vollends verhärten. Hier kann jedes Detail kriegsentscheidend sein – wir machen hier gar nichts 08/15. Zur Not bemühen wir die KI, die ist ja bekanntlich auf dem Vormarsch. Oder wir finden ein passendes Totschlagargument.“

Und, wie fühlt sich das an? Nicht so gut, oder? Keine Angst, ab jetzt wird es angenehmer. Nun kommen wir dazu, wie wir negativ behaftete Ausdrücke durch eine achtsame Kommunikation ersetzen können.

Dazu versetzen wir uns noch einmal zurück in Carlos euphorische Stimmung nach seiner Präsentation. Was wäre gewesen, wenn er beispielsweise so darüber berichtet hätte:

„Das war eine grandiose Stimmung, sage ich euch – tolle Menschen, intensive Gespräche! Alle waren total angetan von unserer Präsentation, und wir konnten die Projektleiterin und ihr Team von unseren Vorschlägen überzeugen. Gut, in deren Büro zu kommen ist nicht ganz einfach, das ist etwas abgelegen, und ich habe mich auf dem Weg dorthin verfahren. Was haltet ihr davon, wenn wir für kommende Meetings zu uns in die Agentur einladen?“

Klingt gleich dem Anlass entsprechend positiver, oder? Zugleich präzisiert Carlos seine Aussagen und gibt seinem Team damit ein konkretes Feedback. Mit seiner Frage macht er einen begründeten Vorschlag und holt die Meinung seiner Kolleg:innen ein.

Gefallen statt Attentat: So formulierst du achtsamer

Hier kommen ein paar weitere Redewendungen, die im Agenturleben verbreitet sind – und auch gleich ein paar Beispiele, wie du eine achtsame Kommunikation anwendest und dich zugleich genauer ausdrückst:

Feuer frei = Die Kundin hat den Text ohne Änderungen freigegeben, du kannst den Newsletter jetzt verschicken.

Von dem Design bekommt man ja Augenkrebs = Ich finde das Design zu unruhig/zu bunt/zu überladen.

Daraus werden die uns einen Strick drehen = Ich befürchte, dass man uns diesen Punkt zu unserem Nachteil auslegen könnte.

Wir müssen das Projekt jetzt mal in Angriff nehmen = Lasst uns mal die ersten Schritte in die Wege leiten, wir liegen im Zeitplan schon zurück.

Ich habe ein Attentat auf dich vor = Ich sehe, dass du viel zu tun hast, aber darf ich dich um einen Gefallen bitten?

Diese Fake-Profile breiten sich aus wie ein Krebsgeschwür = Die Anzahl an Fake-Profilen auf Social Media wächst völlig unkontrolliert.

Wir sollen die Kampagne noch einmal überarbeiten? Nur über meine Leiche! = Kann mich bitte jemand von euch unterstützen? Wir sollen die Kampagne noch mal überarbeiten, und mir fehlen dazu die Energie und die Ideen. 

Heute wird gefeiert, bis der Arzt kommt = Lasst uns heute mal so richtig Gas geben, wir haben uns das Feiern nach diesem Projektabschluss echt verdient!

Attacke! = Let’s rock!

Diese Formulierungen sind präziser und lassen Raum für eine positivere, achtsame Kommunikation ohne potenziell verstörende Begriffe.

Für mehr Wertschätzung und Präzision: Achtsame Kommunikation verbessert unser Miteinander

Unsere Beispiele zeigen: Insbesondere in der Kommunikationsbranche, in der wir andere Menschen für unsere Botschaften begeistern wollen, ist es ganz wichtig, eine achtsame und positive Sprache zu fördern. Dies schließt die Vermeidung von Metaphern ein, die Gewalt, Tod oder Krankheit implizieren könnten. Das Gleiche gilt übrigens auch für die nonverbale Kommunikation: Statt eine Nachricht mit einem Raketen- oder Bomben-Emoji zu kommentieren, kannst du auch einfach mit einem Thumbs Up, einer Medaille oder einem Party-Symbol kommentieren. Oder du schreibst einfach „Toll gemacht”.

Wir sollten uns bewusst sein, wie unsere Worte auf andere wirken, und stattdessen präzisere und respektvollere Formulierungen wählen. Damit sorgen wir für eine angenehme Stimmung und für Inklusion. Davon abgesehen verbessern wir mit einer respektvollen, empathischen und effektiven Kommunikation das Miteinander in Unternehmen und tragen dazu bei, eine positive Arbeitsumgebung zu schaffen.

 

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